Wer kennt es nicht aus allen möglichen Beziehungen zwischen Menschen – das Thema Vertrauen.

Egal ob auf der Arbeit, unter Freunden, in der Familie oder mit seinem (Liebes-) Partner. Vertrauen spielt da überall eine Rolle. Einigen Menschen wollen wir vertrauen und anderen aus irgendwelchen Gründen auch nicht. Völlig normal.

Was aber geht in einem vor, wenn das Thema Vertrauen auf einmal auf den Tisch gelegt wird? Tage, Wochen, Monate oder auch länger denken wir vielleicht gar nicht über das Thema Vertrauen gegenüber einer anderen Person nach. Aus irgendwelchen Gründen kommt vielleicht doch die Frage auf, ob ich da jetzt noch vertrauen kann.

Wenn ich mich selbst frage, warum da nun ein Misstrauen aufkommt, bringt mich zumeist dahin, dass ich mir in meiner Vorstellung Bilder ausmale, die ich gar nicht ausgemalt haben möchte und die eine Art der Bedrohung für mein persönliches Wertesystem darstellt oder darstellen könnte.

Denken wir einfach mal an die Übung, bei der eine Person sich nach hinten in die Arme der zweiten Person fallen lassen soll, ohne dabei sehen zu können, ob die auffangende Person nah genug dran steht, stark genug ist, wirklich acht gibt oder vielleicht gar nicht bei der Sache ist. Die Bedrohung hier ist, dass man sich, gegen alle gedankliche Vernunft, böse mit der Schwerkraft anlegt.

Vertrauen stellt in meiner Welt immer dann einen Punkt dar, wenn ich die Kontrolle loslassen muss. Kontrolle. Können wir jemals alles in unserem Leben kontrollieren und was passiert, wenn wir es stetig versuchen?

Mal angenommen die Vertrauensfrage stellt sich immer dann, wenn wir uns darüber klar werden, dass wir die Kontrolle abgeben müssen. Erschwerend noch in einer Situation die uns persönlich sehr wichtig und wertvoll ist. Puh!

An dieser Stelle fällt mir etwas ein, was ich als erstes von Jens Corssen gehört habe. Der Diplompsychologe und kognitiver Verhaltenstherapeut nimmt gerne mal Wörter auseinander, was bei mir ein bewusstes Denken über das Wort, seinen Stamm und meine persönliche Bedeutung des Wortes triggert.

Beispiel „Enttäuschen“

Ent-täuschen – Die Täuschung wird aufgehoben. Ist ja eigentlich etwas positives. Wir haben uns getäuscht, genauer hatten wir eine Erwartung von etwas oder jemanden. Wenn diese Erwartung nicht getroffen wird, sind wir enttäuscht. Die Ursache dieser Enttäuschung liegt aber zumeist nicht beim Gegenüber, sondern haben wir doch die Erwartung eines Verhaltens impliziert.

Wende ich nun das gleiche Prinzip auf „Vertrauen“ an, hat es etwas mit trauen zu tun. Ich traue mich Mut zu haben für etwas oder für jemanden. Vielleicht ja auch den Mut zu haben sich zu trauen die Kontrolle abzugeben?

In dem Moment, in dem ich auf ein höheres Ziel vertraue und einen Glauben aus fester Überzeugung heraus entwickel, ist mir die Kontrolle über die Sache nicht mehr ganz so wichtig.

Vertrauen in Liebesbeziehungen

Ich möchte zu einem Beispiel kommen, was vielleicht auch andere als sehr bedeutend („krass“) wahrnehmen – Vertrauen in den Partner einer Liebesbeziehung.

John lernt Amelie kennen und beide mögen sich, sie verlieben sich und möchten, mit der rosaroten Brille auf der Nase, zusammen bleiben „bis das der Tod sie scheidet“.

Irgendwann kommt es, wie es in vielen Ehen vorkommt, zu dem was das Thema Vertrauen erschüttert. Einer der beiden, aus welchen Gründen auch immer, beginnt einen Seitensprung, eine Affäre, „geht fremd“.

Wenn ich mir nun vorstelle das John der Auslöser ist, tritt quasi unmittelbar ein Gefühl in mir auf – kurzum ich bewerte John als den „Ar***“ in der Sache. Wäre es allerdings Amelie kommt das gleiche Gefühl auf nur mit einem anderen Namen.

Das Vertrauen ist dahin, die Ehe in einer Krise. Die Familien mischen sich ein und heizen die eh schon angespannte Lage weiter an. Ob nun konstruktiv oder destruktiv sei an dieser Stelle nicht so wichtig.

Denke ich aber nach dem initialen Gefühl und meiner eigenen Bewertung an ein mögliches ‚Warum?‘ eröffnen sich Wege für die weitere Verarbeitung.

Unter der Annahme, dass Vertrauen etwas mit der Angst des Kontrollverlusts zu tun hat, stelle ich mir folgende Fragen:

  • Hatten Amelie und John jemals die Kontrolle über den anderen?
    • Wäre das so erstrebenswert?
  • Was sagt das über deren Beziehung aus?
    • Ist diese vielleicht nicht so stabil?
  • Existieren weitere Abhängigkeiten die nun bedroht sind?

Was an der Geschichte von Amelie und John unklar ist, ist das warum.

Mal angenommen John hat seine Partnerin betrogen, weil er ihr schaden wollte. Ja, das tut jetzt weh und enttäuscht das Vertrauen in das Versprechen bis zum Ende zusammen zu bleiben. Letzten Endes ist es aber für Amelie vermutlich besser so, als weiterhin mit einer Person das Leben zu teilen, die einem Schaden möchte.

Wollte er ihr wiederum keinen Schaden zufügen, sondern hat vielleicht nur Aspekte in der Beziehung vermisst? Hat er Bedürfnisse von denen er nicht ausgegangen ist, dass Amelie diese adressieren kann?
Auch das tut weh, wenn er nicht den Mut hatte mit ihr darüber zu reden. Annahmen gibt es sicher einige in Liebesbeziehungen, nur sind Annahmen keine Beweise.

Man könnte diese Situation nun von allen Seiten beleuchten und mit anderen Personen drüber reden und würde vermutlich keinen Konsens erreichen, der allen Bedürfnissen, Erwartungen und kulturellen Gewohnheiten gerecht wird.

In meinem Wertesystem ist gegenseitige Kontrolle nicht vorgesehen. Ich möchte weder kontrolliert werden, noch die Kontrolle über jemanden haben.

Wenn ich nun also „Kontrolle“ aus der Gleichung der Beziehung entferne, bleibt die Frage nach dem Risiko stehen. Welches Risiko entsteht nun durch einen solchen Ausbruch aus der zweier Beziehung und wie groß ist der mögliche Schaden dadurch? Bitte denk da mal in Ruhe drüber nach. Versuche unter die stürmische See dieser Situation zu tauchen.

Ich selbst führe eine Ehe und wir haben so viele Ups und Downs zusammen erlebt und überstanden und dennoch würde mir die Mitteilung eines Seitensprungs erst mal gehörig den Boden unter den Füßen wegziehen. Wenn ich mir das für mich Vorstelle spüre ich Angst.

In dem Moment wo ich dann aber daran denke, dass die gefühlte Kontrolle niemals da war und auch nie da sein sollte, erlange ich einen Perspektivenwechsel und kann auf die Beziehung als solches gucken.

Wir haben vieles durchgemacht, Kinder, Nächte ohne Schlaf, Verluste von Verwandten und Haustieren, Angst um Jobs, kritische Situationen auf der Autobahn, zahllose Entscheidungen die uns dahin gebracht haben wo wir heute sind. Einzeln und auch als Paar und erst recht als Familie. Das ist schlicht stabil.

Natürlich ist es ungünstig für das Vertrauen wenn der Partner fremd geht. Es tut so weh, dass vielleicht sogar der aufgeklärteste Mensch einen Moment schlucken muss.

Sobald ich meine Beziehung als stabil erachte und den Partner auf seine individuelle Art betrachte, kann ein solches Verhalten dann tatsächlich die Beziehung bedrohen? All das was sich das Paar über Jahre aufgebaut hat? Das ist meiner Meinung nach immer noch da.

Das, wofür sich das Paar ausgesprochen hat (verbal oder non-verbal), den Mut sich zu Ver-Trauen ist selbst durch einen Seitensprung noch da. Gleichzeitig bietet sich hier auch Raum für die Erkundung von Bedürfnissen, Wünschen und Sehnsüchten, die man vorher (geblendet durch seine eigenen Erwartungen und Ängste) nicht gesehen hat.

Fazit

Jemanden zu ver-trauen braucht den Mut die Kontrolle loszulassen. Vielleicht reift sogar die Erkenntnis, dass man nicht alles kontrollieren kann oder gar will. In einem stabilen Umfeld kann ich weiterhin vertrauen weil ich die Möglichkeit habe das übergeordnete Ziel nicht durch ein negatives Ereignis zu bedrohen. Annahmen und Erwartungen sollten in einer jeden Beziehung offen ausgesprochen werden können – so habe ich die Möglichkeit meine Ängste auszudrücken und das Risiko besser einschätzen zu können.

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Von Jack

Mein Name ist Jack und ich berichte hier über alltägliches und über meine Sicht auf die Dinge und Situationen im Leben.

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